Walter Schwab Ghana Accra Agbogbloshie

AGBOGBLOSHIE

Der Müll der Welt auf Afrikas giftigstem Schrottplatz


Der Stadtteil Agbogbloshie liegt an einer Lagune im Westen von Ghanas Hauptstadt Accra. Was so idyllisch klingt, ist ein Slum mit der wohl weltweit größten Deponie für giftigen Elektroschrott. Der stammt zum großen Teil von dubiosen Recyclingunternehmen, die ihre Ladungen als "Funktionstaugliche Gebrauchtwaren" deklarieren und ihn containerweise hier ablagern. Vornehmlich aus Europa.

 

Laut dem »Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung« ist der Export von giftigem Schrott verboten.

Aber Gebrauchtwaren sind erlaubt!

Walter Schwab Ghana Accra Agbogbloshie
Auf dem Weg. Links beginnt der große Müllplatz für Elektro- und Metallschrott.

In dieser Deponie zerlegen Hunderte von Menschen allen Alters die Geräte und holen Verwertbares heraus. Das ist nicht viel. Plastik-Gehäuse und Gummi werden abgefackelt und dabei Quecksilber, Blei, Cadmium und andere giftige Stoffe freigesetzt. Der Boden und die Luft sind vergiftet, das verseuchte Wasser der Lagune fließt ins Meer. Umwelt und die Gesundheit der Bewohner spielen keine Rolle. Das wissen sie, aber wer nichts hat, tut umso mehr für ein paar Cedies oder Dollar. Hier leben und arbeiten Menschen in einer Gesellschaft mit eigenen Regeln. Mit einer Moschee, einer christlichen Kirche, einem Bolzplatz und einem Markt. Und natürlich gibt es einen Chairman, eine Art Bürgermeister.

 

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Wie vor Kafkas Schloss

Einfach die Deponie betreten und Fotografieren ist nicht ratsam. Nichts geht ohne die Erlaubnis vom Chairman, oder wenigstens vom Vice-Chairman. Leider waren beide unterwegs!

 

Der Weg hierher war schnell gefunden, immer in Richtung der schwarzen Rauchsäulen. Aber nun heißt es Warten. Nach einer guten Stunde kommt der Boss, wäscht sich Gesicht und Arme mit einem Kanister Wasser und hört scheinbar gelangweilt zu, was mein ghanaischer Freund George über sich und mich erzählt. Wie oft ich in Ghana gewesen sei, und "no", kein Journalist, und nochmal "no", wir hätten bestimmt keine bösen Absichten!

 

Ob er damit zufrieden ist? Ein bißchen, jedenfalls dürfen wir durch eine scheppernde Holztür mit Fliegengitter ins schummrige Büro des Vice-Chairman eintreten, und erneut warten.

 

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Irgendwann kommt er und das ganze nochmal von vorne:
Die gleichen Fragen, die gleichen Antworten - nur dass der Gesprächspartner jetzt einen auffallenden, weißen Spitzbart trägt und mit wichtigen Dokumenten spielt.

 

Warum wir den Platz sehen und fotografieren wollen?
Etwa doch Journalist? "Die kommen, machen Fotos, verdienen damit Geld und sagen viele schlimme Dinge. Über den Ort und über uns und über unsere Arbeit. Nicht schön und ganz schlecht für's Geschäft."

 

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Verstehe ich, und wieder unser "no" - sei nicht unsere Absicht!

So geht es eine Weile hin und her. Irgendwann verschwindet er, das richtige Formular hat er in seinem Stapel nicht gefunden. "Please wait, come back soon!"

 

 So ist Afrika. Ich würde ein klares NEIN akzeptieren, hatte ein JA  erhofft und eigentlich ein Verhandeln über eine Art Eintrittsgebühr erwartet. Nur keine mürbe machenden Diskussionen, die sich im Kreis drehen. Die Situation erinnert an Kafkas Schloss mit seinen undurchschaubaren Regeln. Egal, was man antwortet, es geht nicht weiter.

 

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Mein Begleiter und Freund George.

 

Was sollen wir noch hier? 

Wir warten auf den Vice-Chairman!

 

Nach einer halben Stunde erscheint er.

Leider ohne Formular, aber mit langen Erklärungen zu neuen Problemen, die sich aufgetan haben.

Schade!

Zwei Stunden auf der Mülldeponie, ein paar Fotos vom Eingang aus - das war's.

 

Wir gehen.

 

Der Vice-Chairman zeigt Verständnis. Beim nächsten Besuch wird's bestimmt klappen!

 

 


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